2017/09/21

In Harmonie

Früh morgens, beim Auschecken aus dem Ryokan, frage ich in meinem Überlebensjapanisch, wie ich am schnellsten zum Bahnhof komme. Die Rezeption des Hotels ist eine kleine Luke, eingerahmt von Holz in der Farbe dunkler Sojasauce. Neben einer eingestaubten Telefonanlage steht der Rezeptionist. Er lächelt und zieht eine faltige Kladde hervor. Flüsternd gleitet er Zeile für Zeile mit dem Finger über die Abfahrzeiten des städtischen Busses. Dann entschuldigt er sich mehrfach und bietet mir an, ein Taxi zu bestellen.

Vor dem Hotel wartend beobachte ich, wie Busse von japanischen Reiseveranstaltern ankommen. Sie entlassen ihre Fracht am Eingang des Adachi Museums of Art und fahren wieder ab. Das Museum liegt in der Präfektur Shimane am japanischen Meer. Dies ist weit von den Touristenzentren Tokyo, oder Kyoto entfernt und ich sehe außer mir keinen weiteren westlichen Touristen.

Am Bahnhof angekommen, kann ich gerade noch die roten Rücklichter meines Zuges erahnen. Der nächste fährt in einer Stunde. Mit dem Ticket in der Hand lasse ich mich auf eine Bank im Warteraum nieder. Stille. Ich sinke tiefer in meine Gedanken. Plötzlich spricht mich jemand auf Japanisch mit meinem Namen an. Neben mir steht der Rezeptionist. Er verbeugt sich tief, entschuldigt sich mehrfach, lächelt und hält mir eine kleine, bunt bedruckte Papiertüte entgegen.

Ingwerkekse
ein fremder Vogel pfeift
übers leere Gleis



Sommergras 118, September 2017




Lebendiger Bildrahmen, Adachi Museum of Art

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